Und plötzlich steht das riesige Tier vor ihm. Lio zögert und traut sich dann doch: Er tätschelt den Elefanten auf das linke Vorderbein.
Auf das Elephant Conservation Center in Sayaboury haben wir uns riesig gefreut. Und das ECC erfüllte unsere Erwartungen vollends. In diesem Park, zweieinhalb Fahrstunden von Luang Prabang entfernt gelegen (man wird mit dem Kleinbus abgeholt), führen die Elefanten ein selbstbestimmtes Leben. Viele von ihnen waren bislang zur Arbeit in den Dörfern eingeteilt (vor allem als Schlagholzschlepper) oder lebten sonst in Gefangenschaft. Jetzt dürfen sie ihr Tiersein endlich ausleben. Jedes Tier wird fast rund um die Uhr von einem der sogenannten Mahouts betreut, die vom Center angestellt sind.
Das Projekt auf einer bewaldeten Halbinsel existiert seit 2001, zunächst als NGO, seit 2010 als kommerziell vermarktetes Center mit Unterstützung der laotischen Regierung (nicht finanzieller Art allerdings). Man kann seither in rustikalen, aber hübschen Bungalows übernachten, eine Nacht oder zwei Nächte oder als Voulunteer eine ganze Woche. Und vor allem dank der Gelder aus dem Tourismus ist das Center enorm gewachsen. Waren 2010 gerade einmal sechs Mitarbeiter angestellt bei einem Elefantenbestand von 2, so sind es heute 29 Tiere und 65 Angestellte. 90 Prozent der Mitarbeiter sind Lao, übrigens, die Führung des Centers ist in französischer Hand.
Elefanten sind in Asien oft in Kontakt mit Touristen, doch im ECC wird die Begegnung sehr diskret gehalten. Wichtigste Grundsätze: Geritten wird nicht. Und die Elefanten machen sich nicht zum Clown, sie fahren keine Velos und baden nur unter ihresgleichen. Vielmehr beobachten die Besucher die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung aus der Distanz: Wie sie ihr Morgenbad nehmen. Wie sie miteinander spielen und interagieren. Wie sie ihr Fressen suchen. Aber auch: Wie sie trainiert werden, um ärztlich untersucht werden können. Asiatische Besucher hat das ECC deshalb kaum: Viele von ihnen wollen die Tiere reiten.
Wir blieben zwei Nächte im ECC, hatten so an drei Tagen geführtes Programm. Mit 270 US Dollar pro Person ist der Ausflug nicht günstig, aber es wird einiges geboten. Zudem ist Vollpension inklusive. Nach der Ankunft im Center um 10.30 Uhr und dem Bezug der Bungalows erlebten wir, wie eine Mutter mit ihrer Kleinen isst und ein Bad nimmt. Später wurde uns die Anlage erklärt, wir sahen fünf Elefanten beim Planschen zu und begleiteten sie danach in ihr Nachtquartier. Über Nacht werden die Elefanten angeleint, damit sie sich nicht zu weit entfernen. Ihr Bewegungsradius beträgt trotzdem rund 30 Meter und das ist genug für ihre Nachttätigkeit: Die Tiere essen 19 Stunden täglich.
Am zweiten Tag begleiteten wir einen Mahout zu «seinem» Elefanten. Da ausser uns niemand die leichte Wanderung machen wollte, waren wir alleine mit dem Tier und seinem Begleiter, wir durften den Elefanten so aus nächster Nähe bewundern. Die Nähe zu diesen beeindruckenden, einerseits furchteinflössenden und doch derart stoischen Tieren hat uns tief beeindruckt. Beim Morgenbad waren nicht weniger als sechs Elefanten beisammen, und da durften Lio und Jarin schliesslich einen berühren. Vor allem Jarin war restlos begeistert vom Anblick der Elefanten. Für Lio waren nur schon die Wanderungen durch das grosse Gebiet (und angesichts der Temperaturen von weit über 30 Grad) ein Erlebnis und sehr anstrengend, das Interesse an den Elefanten verlor er bald einmal. Überhaupt ist es im ECC an den Eltern, die Kinder zu unterhalten: Es ist insgesamt schon primär auf Erwachsene ausgerichtet.
Der Grossteil unserer Gruppe verliess das Camp nach einem Tag, die meisten Besucher bleiben nur eine Nacht. Das Programm im zweiten Teil unseres Aufenthalts war so eher bedächtig. Noch einmal beobachteten wir die Gruppe beim Badeplausch und begleiteten einen Elefanten bei seinem Besuch beim Tierarzt. Am Morgen des dritten Tages schliesslich gingen wir mit dem Guide Bananenbäume schneiden und versteckten die Leckerbissen in einem abgesteckten Feld. Auf eher spielerische Weise suchten zwei Elefanten in der Folge nach der Nahrung. Ansonsten boten uns der zweite und dritte Tag die Gelegenheit, im Center ein wenig zu relaxen. Es hat eine Bar, und so tut man selbst mit dem Bier zum Feierabend etwas Gutes: Das Geld kommt ja den Elefanten zugute.
Wir können einen Besuch im ECC vorbehaltlos empfehlen – um Stress für die Kleinen zu vermeiden, würden wir erneut zwei Nächte bleiben. Der Umgang mit den Elefanten ist von Respekt geprägt: All unsere Guides haben als Fernziel erwähnt, dass sie die Tiere dereinst in komplett freier Wildbahn erleben möchten. Solche Bestrebungen sind unterstützenswert: Von den rund 800 Elefanten in Laos leben derzeit nur noch 300 in Freiheit. Laufend gerodeter Wald ist die Hauptursache für die kontinuierliche Abnahme beider Zahlen. Ein Nationalpark-Projekt der laotischen Regierung in enger Zusammenarbeit mit dem ECC besteht bereits.