Wieder wurde es wilder. Chaotischer. Und: lebendiger. Durch ein Land wie Vietnam zu reisen, ist ein ständiger Wechsel der Lautstärke. Vom malerischen Hoi An mit seinem allabendlichen friedlichen Lichterspiel auf dem Fluss kamen wir mit dem Nachtzug nach Hanoi. Plötzlich rumkurvten uns wieder Hunderte Motorradfahrer, beim Queren der Strasse war wieder Aufmerksamkeit gefragt.
Die Hauptstadt im Norden des Landes wurde zu einem Höhepunkt unserer bisherigen Reise. Wir bezogen unser Hotel mitten im Old Quarter, dem verwinkelten Zentrum der Stadt mit kleinen und engen Gässchen, die sich am Abend in eine einzigen Kneipe verwandeln. Jedes noch so kleine Restaurant stellt die Stühle weit auf die Strasse hinaus, und bis tief in die Nacht wird auf den kleinen Plastiktischen gegessen und getrunken. Es ist ansteckend.
Besonders spektakulär ist das Nachtleben an den Wochenenden, wenn das Old Quarter sowie die Promenade entlang des Sees Ho Horn Kiem im Zentrum für den Verkehr gesperrt werden, selbst die Motorräder müssen dann für einmal draussen bleiben. Strassenmusikanten sorgen für eine Stimmung wie an einem Open Air. Da die Buben sehr für diesen Spass zu haben waren, blieben wir länger auf den Beinen als üblich. Manchmal bis nach 22 Uhr. Schöner Nebeneffekt dieser Nachtschwärmerei: Wir konnten am Morgen länger schlafen.
Zu erleben gibt es einiges in Hanoi, zwei Dinge stachen für uns hervor. Zum Einen das Wasserpuppenspiel Thang Long. In einer 50-minütigen Vorstellung (es gibt mehrere Aufführung pro Tag) sind Figuren zu bestaunen, die behände durch das Wasser tauchen. Vor allem der feuerspeiende Drache hat es den Kindern angetan. Dazu spielt ein kleines Orchester traditionelle Musik. Sonst hat gerade Lio Mühe, mehr als 20 Minuten konzentriert zuzuschauen, hier gelang ihm das mühelos. Der Eintritt kostet 100’000, 150’000 oder 200’000 Dong (4,30 bis 8,60 CHF/3,80 bis 7,60 EUR). Das Theater ist nicht sehr gross, Plätze der hintersten Kategorie sind völlig ausreichend. Die Tickets bekommt man gleich vor dem Theater, auch in einem elektronischen Schalter.
Ganz besonders zu empfehlen ist ein Besuch der Train Street. Auf diesem Abschnitt der Bahnstrecke Ho Chi Minh City–Hanoi unmittelbar vor der Einfahrt in den Bahnhof von Hanoi (oder gleich nach der Abfahrt von dort) passieren die Züge eine enge Gasse zwischen Wohnhäusern. Und sie brausen in ziemlichem Tempo durch. Die Stelle in einer leichten Kurve ist so eng, dass man in den Hauseingängen stehen muss, um wirklich sicher zu sein. In die Train Street kommt man über einen der beiden Bahnübergänge.
Kommt gerade kein Zug, kann man auf den Geleisen gemütlich etwas essen und trinken, die Hausbesitzer führen kleine Restaurants. Lio hüpfte auf den Geleisen auf und ab, und Jarin wurde von den kinderliebenden Vietnamesinnen über den Schotter geführt. An den Hauswänden sind die Durchfahrtszeiten der Zügen notiert, und weil die vietnamesische Bahn sehr pünktlich ist, kann man sich darauf verlassen. Täglich kommen mindestens sechs Züge. Wir waren am Nachmittag da, der tägliche 15:30-Zug ist populär bei den Touristen. Es empfiehlt sich, spätestens um 15 Uhr dort zu sein. Lohnenswert ist auch die Zeit zwischen 19 und 21 Uhr, wenn die Stelle von zwei bis vier Zügen passiert wird.
Die Warnung vor dem Zug erfolgte durch die Anwohner in Fahrtrichtung rund eine Minute vor der Durchfahrt, die Gastgeberinnen räumten die Stühle und Tische daraufhin in Windeseile ab und achteten sehr auf uns und die restlichen Gäste. Auch hupte der Zug mehrfach ohrenbetäubend laut, bevor er in die Kurve kam. Lio hielt so von sich aus erschrocken Distanz. Überhaupt: Unfälle sind wohl selten, die Vietnamesinnen lassen keinerlei Mutproben zu.
Den letzten Abend in Hanoi verbrachten wir mit einer ein paar Wochen zuvor in Laos kennengelernten kanadischen Familie mit ihren zwei fünfjährigen Kindern. Da wieder Freitag war, konnten wir anschliessend noch ein wenig im Old Quarter verweilen, um den Strassenmusikanten zuzuhören und auf der Strasse zu tanzen. Was für ein cooler Abschluss in einer der lässigsten Städte, in der wir je waren!