Strenggenommen ist Neuseeland ein Dorf. Ein recht grosses, zugegeben, und ein eher weitläufiges. Und es gibt sogar Städte, Christchurch oder Wellington oder Auckland, aber selbst die wirken, so wunderbar sie sind, eher gemächlich. Selbst sie hat man in ein paar Tagen gesehen.
Das Land ist derart vielfältig und abwechslungsreich, dass man sowieso so viel wie möglich davon erlebt haben will. Deshalb ist ein Roadtrip durch Neuseeland die beste Reiseart – und nicht zufällig die mit Abstand am häufigsten gewählte unter den 3,8 Millionen Touristen, die das Land jährlich besuchen. Wir sind da keine Ausnahme, und wir haben uns für ein Wohnmobil entschieden: Nach zweieinhalb Monaten in Hotelzimmern sehnten wir uns nach vier eigenen Wänden. Auch wenn es vier eher sehr kleine Wände sind.
Der grosse Vorteil am Wohnmobil in Neuseeland ist, dass man an vielen Stellen frei campen darf. «Freedom camping» wird das hier genannt, doch ganz frei ist man nicht in der Auswahl: Die Stellen sind klar gekennzeichnet, und meistens ist die Zahl der kostenlosen Stellplätze stark beschränkt, auf 6 oder 4 oder manchmal gar nur 2. Und sehr oft sind sie schon am Mittag belegt. In der Hauptsaison erst recht, aber selbst während unserer Reisezeit im Mai, dem Pendant zum europäischen November. An den publikumswirksamen Orten hat es mehr kostenlose Plätze, aber natürlich auch mehr Wohnmobile.
Trotzdem haben wir uns mehrfach entschieden, eine Gratisunterkunft anzusteuern. Meist hat es dort natürlich zwar weder Anschlüsse für Frischwasser oder Strom noch sanitäre Anlagen, häufig aber immerhin ein öffentliches WC – und die sind in Neuseeland meist von hervorragender Qualität. Zudem findet sich meist ein Spielplatz in nächster Nähe – in fast jedem Dorf stehen die grossartigsten Spielplätze, die man sich vorstellen kann. Das Land ist für Reisen mit Kindern geradezu paradiesisch.
Um nach dem Eindunkeln nicht zu lange die kostenlosen Campgrounds nach einem freien Plätzchen abklappern zu müssen, lohnte es sich, gleich die etwas weniger attraktiven Parkplätze anzupeilen, also nicht jene direkt am Strand. So erhöhen sich die Chancen, den Kindern rechtzeitig ein Abendessen servieren zu können. Um die Gratisplätze nutzen zu können, muss der Camper «self contained» sein, also selbstversorgend – Stichwort: Toilette. Die Wohnmobile der grossen Vermieter haben dieses Label ausnahmslos.
Eine wertvolle Hilfe bei der Suche nach tollen Zeltplätzen ist die App «CamperMate». Dort sind die Campgrounds in drei Kategorien eingeteilt: kostenpflichtig, günstig und gratis. Gewünschte Features lassen sich herausfiltern, wobei bei der Fantasie kaum Grenzen gesetzt sind: Es gibt Zeltplätze mit Tennisplätzen, Veloverleih oder gar einer eigenen Brauerei. Bei den kostenpflichtigen Zeltplätzen gehören Strom, Frischwasseranschluss, Spielplatz, Waschmaschinen und in der Regel auch (kostenloses) W-LAN zum Standard, ein solcher Stellplatz kostet zwischen 30 und 60 Dollar (20 bis 40 CHF). Bei den günstigen Plätzen gibt es manchmal Strom, manchmal auch nicht, manchmal kostet die Nacht 15 Franken, und manchmal wird einfach eine Spende erwartet.
Wer nicht jede Nacht alle erdenklichen Annehmlichkeiten braucht, kann auf Neuseelands Strassen enorm sparen. Entladestationen von Toilette und Küche gibt es unterwegs zuhauf (sie sind ebenfalls in «CamperMate» gelistet), dort lässt sich auch immer Trinkwasser nachfüllen. Und nicht selten sind Standplätze in perfekter Lage mitten im Stadtzentrum zu finden. Mehr und mehr im Kommen sind Privatunterkünfte: Hausbesitzer, die ihre Auffahrt oder den Garten zur Verfügung stellen und dafür eine Kleinigkeit verlangen, vielleicht 10 $. Einmal übernachteten wir auf dem Parkplatz einer Bar. Die Gebühr für Standplatz und Strom halbierte sich, wenn man in der Bar mindestens 20 Dollar ausgab. Was wir schafften.
Apropos: Zu schaffen machte uns in den total 21 Tagen im Camper mit der Zeit lediglich die Topografie der neuseeländischen Strassen. Und das schreiben wir als Schweizer. Die Strassen schlängeln sich regelmässig irgendwelche Berge hoch und auf der anderen Seit des Passes wieder herunter, Tunnels gibt es in Neuseeland so wenig wie Autobahnen. Den riesigen Baustellen nördlich von Wellington nach zu beurteilen, ist auf der Nordinsel eine Autobahn von Wellington bis Auckland geplant, im Süden gibt es nichts dergleichen.
Da Lio in schaukelnden Fahrzeugen und kurven Regionen nicht die beste Falle zu machen tendiert, setzten wir ihn die meiste Zeit gleich auf den Beifahrersitz.