An dieser Stelle könnte ein Text über unsere grossartige Reise in die Halong Bay stehen. Das ist jene unglaublich schöne und weite Bucht südlich von Hanoi, wo Tausende von Kalkfelsen ins Meer ragen. Wir haben zwei Nächte und drei Tage in dieser geradezu mythischen Atmosphäre verbracht. Dazu auf einem traumhaften Boot, in einer perfekten Suite (danke für das Upgrade, Signature Cruise!).
Stattdessen quält mich gerade Anderes: die Schattenseiten einer Weltreise mit Kindern. Als wir den Trip um die Welt geplant haben, dachte ich mir schon, dass es kaum allzu einfach werden dürfte. Erstens: 24/7 um die Kinder herum. Und zweitens: mit dem Partner, mit dem ich auch noch so etwas wie eine Beziehung führen möchte. Aber schliesslich überrascht es mich doch etwas, wie oft wir Flüge zurück nach Zürich raussuchen wollen. Oder wie die Stimmung der gesamten Familie kippen kann wegen eines einzigen Spielzeugladens oder eines verregneten Nachmittags.
Unsere Buben gross zu ziehen, ist eine der grössten Herausforderungen meines Lebens. Ständig habe ich das Gefühl, die zwei Kinder total zu vermurksen. Sollen sie Süssgetränke bekommen? Schon wieder das Ipad? Schon wieder bin ich mit einem halbleeren Teller zufrieden? Und gebe ich bei Lio sowieso nicht viel zu oft klein bei?
Wenn man mit diesen Zweifeln durch verschiedene Kulturen reist und grösstenteils in Hotels lebt, macht es das ganze nicht einfacher. In Laos, zum Beispiel, ist es sehr unhöflich seine Stimme zu erheben. Ich versuchte tagsüber mein Möglichste, doch so entlud sich die ganze Anspannung nicht selten abends im Hotelzimmer, oft aus einem nichtigen Grund. Zuhause schickt man das Kind kurz ins Zimmer oder sitzt Situationen einfach aus, wenn der Kleine mal wieder mit dem Reis um sich wirft und nach dem Sprite schreit. Weil: Man ist ja in den eigenen vier Wänden. In einem Hotelrestaurant mit vielen anderen Feriengästen ist dies etwas ungemütlicher.
In Vietnam fühlten wir uns bereits nach einem Tag als schlechte Eltern, weil wir unsere Kinder ihre Grenzen ausloten lassen. Normal für uns Europäer, nicht? Die Vietnamesen dagegen bevormunden ihre Kinder extrem, und so wurden wir gleich alarmiert, wenn sich nur schon Lio alleine einer Treppe näherte. Von Jarin ganz zu schweigen. Unser dreijähriger Kletterkünstler darf aber alleine Treppensteigen – und unser Einjähriger soll das lernen dürfen. Dass die Menschen so schnell intervenierten, nervte Lio und nervte uns Eltern. Lio reagierte zunehmend mit Ablehnung beim Kontakt durch Einheimische. Und wieder fühlten wir uns schlecht.
Vor der Reise habe ich mir vorgestellt, dass wir Erwachsenen am Abend entspannt auf unserer Terrasse ein Bier geniessen, den Blick aufs Meer gerichtet, während die Buben drinnen schlafen. In Wirklichkeit bleiben wir meistens je bei einem Kind liegen, bis dieses einschläft. Verständlich bei Lio, der sich fast jede Nacht an ein neues Bett gewöhnen muss, und Jarin ist ein solches «Fägnest», dass es gar nicht anders geht. Jedoch bedeutet dies meist auch das Ende für unseren Tag und das Aus für ein paar gemeinsame Momente als Ehepaar. Wir waren schlicht meistens zu erschöpft.
Reisen mit Kindern ist anstrengend und kräftezehrend, wir ahnten oder wussten das und sehen uns bestätigt. Hin und wieder blicke ich neidisch auf die Pärchen Bagpacker und stelle mir vor, wie unsere Reise ohne Kinder verliefe. Und dann fällt mir wieder ein, wie sehr ich unsere Familiendynamik liebe und nichts lieber will als das. Weil ich stolz bin, wenn die Kinder in einem Hotelzimmer wieder ihren Spielebereich einrichten oder in jedem Restaurant etwas Neues zu essen finden (okay, manchmal mehr und manchmal weniger). Wenn ich sehe, dass die Kinder lernen, keine Angst vor Neuem zu haben. Wir möchten, dass sie ihre Grenzen auszuloten können und wollen und immer neugierig bleiben. Diese Reise soll seinen Anteil dazu beitragen.
Wie Patent Ochsner es in seinem neuen, fantastischen Lied «Für immer uf di» singt:
Uf au die wones grosses Härz hei
U wosech das nid löh la näh
Ufne gränzelose Himu
Ufnes uferloses Meer